Die Weisstanne (abies alba Mill) ist Baum des Jahres 2004 |
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gab Dr. Silvius Wodarz, der Vorsitzende des KBJ am 16.10.03 in Berlin
bekannt. Den Namen Tanne kennt nahezu jeder, aber die Baumart als solche werden wohl nur wenige wirklich erkennen. Die Weisstanne wächst zu einem mächtigen Baum heran. In der Oberkrone entwickelt sich dann ein gut erkennbares, sogenanntes «Storchennest», die Vorherrschaft des Wipfeltriebes geht verloren und die Seitenäste bilden eine abgeflachte Kronenspitze. Weisstannen können als höchste Bäume Europas bis zu 65m hoch und bis zu 2m Durchmesser dick werden. Sie erreichen ein Höchstalter von 500 bis 600 Jahren. Die Weisstanne hat eine grosse Wurzelintensität. Sie dringt mit einer anfangs Pfahlwurzel, die sich später zu einem kräftigen Herzwurzelsystem entwickelt tief in den Boden ein. Sie erschliesst sich so tiefere Bodenschichen und erreicht eine große Standfestigkeiten. Das Wurzelsystem eines 100-jährigen Baumes kann eine Gesamtlänge von 270m erreichen. Die Rinde, in der Jungend glatt, später schuppig und mit zahlreichen Harzblasen, ist auffallend hell-grau. Daher der Name Weisstanne. Die Nadeln sind weich und an der Spitze stumpf. Sie stehen auf kleinen Füsschen, die wie Saugnäpfe am Zweig befestigt sind. Die Nadeln duften ganz wunderbar, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt – die der Weisstanne riechen nach Terpentin-Balsam. Die Nadeln werden ca. 10 Jahre alt, im Hochgebirge auch schon 14 – ein Rekord unter den heimischen Nadelbaumarten. Sie sind gut zersetzlich. Die günstigen Inhaltstoffe machen sie allerdings zum Leckerbissen für das Wild, dass die jungen Tannen stark verbeisst. Die Weisstannen blühen spät in ihrem Leben, nämlich erst mit etwa 50 Jahren. Die aufrecht stehenden weiblichen Zapfen-Blütenstände reifen im Herbst zu bis zu 16cm grossen Tannenzapfen heran. Diese stehen auf den Zweigen. (Bei fast allen anderen Nadelbäumen hängen die Zapfen.) Die Samen fallen aus den stehenden Zapfen und segeln zu Boden, übrig bleibt die stehende Spindel. Wirkliche Tannenzapfen findet man daher nicht auf dem Waldboden. Die junge Weisstanne verträgt viel Schatten und kann bis zu 150 Jahre darauf «warten», dass nach Absterben oder Fällung von Altbäumen sie vom Licht «wachgeküsst» wird. Die Weisstanne bevorzugt luftfeuchte Lagen mit mindestens 600mm Niederschlag im Jahr. In den Alpen kann sie bis auf 2000m steigen, woanders ist sie eine Baumart des Flachlandes. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet ist das südliche Mittel- und Südosteuropa. In Deutschland verläuft die Nordgrenze ihrer natürlichen Verbreitung vom Schwarzwald über Thüringen und das Erzgebirge in die Niederlausitz. Im sogenannten ozeanischen Klima mit seiner hohen relativen Luftfeuchtigkeit und ausgeglichenen Temperaturen gedeiht sie aber auch in Nordwestdeutschland, Schleswig-Holstein und sogar in Dänemark. Die Weisstanne ist die Baumart mit dem stärksten Rückgang ihrer Vorkommen in den letzten 200 Jahren – 90 Prozent der ursprünglichen Fläche sind verloren. Es gibt dafür mehrere Gründe – für sich oder im Kombination. Eine wesentliche Rolle spielt die eiszeitliche Wanderungsgeschichte der Weisstanne. Sie hat die Eiszeiten in nur kleineren, von einander getrennten Populationen überdauert. Das führte zum Verlust von Genen und zur Inzucht und hat ihre heutige verringerte Anpassungsfähigkeit zur Folge. Sie ist anfällig und empfindlich gegen Trockenheit, Klimaveränderungen und Luftschadstoffe. Der Verbiss durch Rot- und Rehwild macht ihr ebenso zu schaffen wie Kahlschläge, Übernutzung, zu starke Beschattung bzw. zu plötzliche Freistellung und die Konkurrenz der Fichte. Die geschädigten Tannen produzieren einen extrem hohen Anteil tauber Samen. Ihr ist zu helfen durch das gezielte Zusammenführen der isolierten Restbestände( z.B. Pflanzung und künstlicher Pollenaustausch). Rein konservierender Naturschutz wäre schädlich. Die Weisstanne bietet Lebensraum für Insekten, Vögel und Pilze. Einer der wichtigsten Pilzpartner ist der Pfifferling. Das Holz der Weisstanne ähnelt dem der Fichte und wird zu seinem Nachteil meist ohne Unterscheidung mit diesem verkauft. Es ist aber heller und harzfrei, was die Verwendbarkeit und Imprägnierbarkeit verbessert. Erst wurde die Weisstanne in den Wäldern reduziert und dann wurde ihr Holz mit der Fichte vermengt, wodurch ihre günstigen Eigenschaften unbeachtet bleiben. Das Holz lässt sich gut bearbeiten, verleimen und spalten. Verwendung als Bau- und Konstruktionsholz, Innenausbau, Dielenböden, Möbel, als Resonanzholz bei Musikinstrumenten, Dachschindeln, Zellstoff- und Spanplattenherstellung und neuerdings für Hightech-Produkte wie Thermoholz oder Superlammellen. Der Turm des Freiburger Münsters trägt innen tausendjähriges Tannengebälk und Teile Amsterdams sollen auf Tannenpfählen stehen. Das berühmt gewordene Dach der EXPO in Hannover wurde aus 70 starken Weisstannen hergestellt und Rüdiger Nehberg hat auf einem 17m langen, 350 Jahre alten Weisstannenstamm allein den Atlantik überquert. Weisstannenhonig ist eine besondere Rarität. Die Inhaltsstoffe der Nadeln geben Kräuterbädern eine eigene Note. Das Tannenharz, auch als «Elsässer Terpentin» im Handel war in vielen Pflastern und Salben enthalten, und Tannenbier spielte im Mittelalter eine «berauschende» Rolle. Und schliesslich - «Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum...» allein in Deutschland werden jährlich fast 30 Mio. Tannenbäume zu Weihnachten aufgestellt – die wenigsten davon sind heute allerdings Weisstannen – aber mit Tannen fing es tatsächlich an. 1539 stand im Strassburger Münster der erste urkundlich erwähnte Weihnachtsbaum. Schon bei den alten Germanen hatte die Tanne wegen ihrer immergrünen Zweige Kult-Bedeutung. So wurden um die Wintersonnenwende Tannenzweige auf öffentliche Plätze und vor die Häuser gelegt. Die Weisstanne, ein Baum mit ausgeprägtem Eigencharakter steht 2004 im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. «Die
Weiss- oder Edeltanne ist, ähnlich wie die Eiche unter den Laubbäumen,
durch Adel der Gestalt wie durch das Alter und die mächtigen Dimensionen,
unstreitig die Königin unserer Nadelbäume» - Ludwig Klein,
1908.
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